Spaghetti zwischen Wissenschaft und Erfahrung
Der Mensch braucht die Nahrung wie die Luft zum Leben. Doch während das Atmen reflexartig wie von selbst erfolgt, meldet sich zwar der Hunger als Signal, dass eine Nahrungsaufnahme sinnvoll wäre, doch was gegessen wird, hängt vom Nahrungsangebot und den Ernährungsgewohnheiten des einzelnen ab. Die variieren von Zeitalter zu Zeitalter und von Kultur zu Kultur, ja, sogar von Mensch zu Mensch.
Jeder hat seine Lieblingsspeisen. So haben beispielsweise Spaghetti längst unseren Speiseplan erobert, zählt Spaghetti mit Pesto oder mit Bolognese zu den beliebtesten Gerichten nicht nur der Kinder, gibt es aber auch Menschen, die Spaghetti eher nicht mögen. Manche Lebensmittel lösen Erinnerungen aus - sowohl positive als auch negative -, und häufig bleiben diese Assoziationen lebenslänglich wie eingebrannt. Geprägt werden Ernährungsgewohnheiten in frühester Kindheit - und Veränderungen geschehen im Laufe eines Lebens nur, wenn aus den verschiedensten Gründen eine "Umerziehung" stattfindet. Das kann geschehen durch ein verändertes Angebot, durch die Erkenntnis, dass man sich doch "gesünder" ernähren müsse, durch Krankheiten oder aber auch in Anpassung an das jeweils zur Verfügung stehenden Budget für Lebensmittel. Auch veränderte Lebensgewohnheiten führen bis zu einem gewissen Grade zu veränderten Ernährungsgewohnheiten.
Am meisten aber spiegelt sich wohl der grundsätzliche Wandel vom Mangel zum Überfluss in unserer Gesellschaft wieder, der einhergeht mit einer Kehrtwende der Ernährungswissenschaften. Galt bis Anfang der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts noch der Behebung von Mangelzuständen das Hauptaugenmerk, ist seitdem die Tendenz immer deutlicher sichtbar, inmitten des Überflusses diejenigen Nahrungsmittel herauszufischen, die der Gesundheit dienen. Mit großen Kampagnen und aufwändigen Materialien bemühen sich Institute und Institutionen, dem modernen Menschen des 20. Jahrhunderts eine aus präventiv-medizinischen Erwägungen gesunde Ernährung zu empfehlen.
Dabei geht es nicht mehr darum, nur satt zu werden, sondern es geht darum, dass einerseits der Verbraucher aus der Fülle des Angebots die für ihn besten Nahrungsmittel auswählen will und andererseits Erzeuger, Hersteller und Handel erbittert um ihre Existenzberechtigung kämpfen. Ernährung wird dabei immer mehr genutzt als Lifestyleinstrument zur Erfüllung von Wellness- und Antiaging-Visionen, die ewige Jugend, Schönheit und Fitness versprechen. Dass das möglich ist und viele Menschen mehr als nur satt werden wollen, erläutert das Modell der Maslowschen Bedürfnishierarchie sehr anschaulich.
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