Fasten ist uralt und topmodern zugleich. Völlerei hingegen galt schon immer als Sünde - einst als Mißachtung religiöser Gebote, heute vor allem als Risikofaktor für die Gesundheit. Doch zwischen absoluter Askese, die nur karge Kost wie Wasser und Brot kennt, und maßlos überquellenden Tafeln bzw. Buffets liegen Welten. Dass das auch für die traditionellen Fastenzeiten zutrifft, davon zeugen diverse Berichte und Rezepte quer durch die Jahrhunderte.

Fisch statt Fleisch

Oberstes Nahrungsgebot aller Fastenrituale war der Verzicht auf Fleisch, vor allem dem Fleisch der Vierbeiner. Teilweise wurde erbittert darum gekämpft, dass Geflügel oder andere tierische Produkte wie Eier und Milch erlaubt wurden bzw. blieben. Fisch hingegen gilt bis heute als die Fastenspeise schlechthin. Hildegard von Bingen, die große deutsche Mystikerin des Mittelalters, schrieb sogar ein Fischkochbuch mit 37 Kapiteln – mit Schleien, Forellen und Karpfen aus klostereigenen Fischteichen ließen sich eben viele leckere Gerichte zaubern.

Umhüllt und gefüllt

Selbst köstliche Mehlspeisen, Kuchen, Pasteten und Konfekt kommen als ursprüngliche Fastengerichte aus den Klosterküchen. Mönche und Nonnen schlemmten z.B. mit „Französisch Toast“ in Ei getauchte, geröstete Weißbrotscheiben, die vor dem Verzehr in Zimtzucker gewälzt wurden. Aus England kommen die verschiedensten Pie-Gerichte und der Käsekuchen. Besonders kreative Klosterbrüder kamen sogar auf die Idee, statt süßer auch herzhafte Füllungen, die gehacktes und mit Gemüse vermischtes – also unkenntlich gemachtes Fleisch enthielten, in Teig zu wickeln. Das war die Geburtsstunde der Pasteten. Selbst schwäbische Maultaschen haben ihren Ursprung in den Fastenritualen.

Hopfen und Malz – Gott erhalt’s!

Ob es reiner Zufall war, dass die Paulaner in München die Starkbierzeit dann ausriefen, wenn die Fastenregeln feste Nahrung verboten? Wohl kaum, denn in anderen Klöstern erhielten die Bewohner während der Fastenzeiten einen Schlaftrunk aus einem Drittel Mandelmilch und zwei Dritteln schweren Würzweines.

Wider der Völlerei – für mehr Lebenslust

Fazit: In den traditionellen Fastenzeiten liegen Verzicht und Genuß eng beieinander. Übrigens auch im moslemischen Fastenmonat Ramadan: tagsüber wird streng gefastet und nach Sonnenuntergang im Kreis der Familie gut gespeist.

Fastenzeiten sind somit eine Zäsur im täglichen Einerlei. Neues kennenzulernen oder Altes wiederzuentdecken bzw. sorgfältiger wahrzunehmen und zu entscheiden, was und wie wir essen, kann u.a. ein gutes Ziel hierfür sein. Ganz im Sinne von Theresa von Avila (span. Mystikerin, 1515-1582), die diese Zeiten so kommentierte: „Ich tue meinem Körper Gutes, damit meine Seele Lust hat, darin zu wohnen.“

Blick auf leere Teller

Wer fastet, übt sich in der Kunst des nicht-haben-müssens, obwohl man es eigentlich haben könnte. Zum traditionellen Fasten sowohl im Juden- als auch im Christentum oder im Islam und Buddhismus gehört auch, dass man während der Zeiten die Armen und Bedürftigen unterstützt. Ihnen steht das, worauf man selbst verzichtet, oft nicht zur Verfügung. Der mit dem Fasten verbundene Weg nach innen und diese in den Religionen auch verankerte Ausrichtung des Fastens auf die Bedürftigen zeigt, dass Fasten mehr ist als Hungern und Diät halten.